Erdgeschoss 2. Raum (Kamin): Bernhard Heisig | Panzer Christus fährt mit uns
Panzer Christus fährt mit uns
kein Jahr
Öl auf Leinwand
60 x 80 cm
© Reprofotografie 360degrees.art
Panzer-Christus fährt mit uns ist ein zutiefst eindrucksvolles, verstörendes und symbolisches Werk. Es zeigt Christus, den leidenden Erlöser, der brennend und gekreuzigt in einem Panzer steckt – ein Bild, das nicht nur religiöse Ikonografie in Frage stellt, sondern sie auch in einen kontextuellen Rahmen stellt, der Gewalt, Krieg und Zerstörung thematisiert.
Der brennende Christus, der im Zentrum des Bildes positioniert ist, repräsentiert das ultimative Bild des Leidens, das für die westliche Kultur seit Jahrhunderten ein Symbol des Opfers und der Erlösung darstellt. Doch Heisig entzieht diesem klassischen Bild der christlichen Ikonografie den schützenden, heilenden Kontext und setzt es in den grausamen Rahmen des Krieges. Der Panzer – Symbol für militärische Gewalt, Zerstörung und die mechanisierte Kraft des Krieges – umschließt die gekreuzigte Figur und führt die Betrachterin oder den Betrachter direkt zu einer tiefen und erschütternden Reflexion über die Instrumentalisierung religiöser Symbole.
Das Bild stellt eine schonungslose Konfrontation dar. Heisig führt uns in die Abgründe des menschlichen Konflikts und der Kriegsmaschinerie. Der “Panzer-Christus” ist nicht nur das Bild eines leidenden Individuums, sondern auch ein Mahnmal dafür, wie Religion im Namen des Krieges missbraucht und verdreht werden kann. Der Panzer, der das Bild des gekreuzigten Christus umhüllt, entzieht der Figur nicht nur die Vorstellung von Erlösung und Frieden, sondern führt sie in einen Albtraum des Militarismus, in dem der Tod und das Leid zu bloßen Werkzeugen der Macht werden. Christus, der in seiner Opferbereitschaft für das Wohl der Menschheit gekreuzigt wurde, wird nun zum Instrument der Gewalt, das im Kontext von Kriegsmaschinerie als ein schrecklicher Widerspruch erscheint.
Die brennende Gestalt ist ein erschütterndes Bild des physischen und geistigen Schmerzes. Hier wird das Leiden von Christus in seiner intensivsten Form dargestellt: Nicht nur als Opfer eines persönlichen Opfers, sondern als Teil eines globalen, zerstörerischen Geschehens. Die Flammen, die von ihm ausgehen, symbolisieren das Feuer des Krieges, das Leben und Land gleichermaßen verschlingt, und verweist auf die Grausamkeit, mit der der Krieg das menschliche Leben und die menschliche Moral verbrennt.
Doch das Bild ist nicht nur ein Verweis auf die Verstrickung von Religion und Militarismus. Heisig zeigt uns den “Panzer-Christus” als eine Metapher für das Verhältnis zwischen Menschlichkeit und Krieg: Der Mensch als Schöpfer und Zerstörer zugleich. Es ist eine tiefgreifende Meditation über den Missbrauch des religiösen Erbes der westlichen Welt. Heisig fordert uns auf, zu reflektieren, wie oft Religion und religiöse Symbole von politischen und militärischen Machtstrukturen instrumentalisiert wurden, um Gewalt und Krieg zu legitimieren. Die Frage, die dieses Bild aufwirft, ist erschreckend direkt: Wie ist es möglich, dass das Bild des leidenden Erlösers – des Symbols für selbstloses Opfer und Frieden – in den Kontext des Krieges eingebaut wird? Die Antwort liegt in der düsteren Realität, dass diese Symbole pervertiert und missbraucht werden können, um destruktive Kräfte zu legitimieren.
Mehr über die Ausstellung
Am 31. März 2025 wäre der Maler Bernhard Heisig 100 Jahre alt geworden. Als Mitbegründer der Leipziger Schule zählt Heisig zu den prägendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeiten entstanden im Spannungsfeld von Krieg, Diktatur und gesellschaftlichem Wandel – Themen, die aktueller nicht sein könnten. Die Werke spiegeln nicht nur seine persönlichen Erfahrungen als ehemaliger Kriegsfreiwilliger während des 2. Weltkriegs, später als Direktor der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und Funktionär in der DDR wider, sondern auch die kollektiven Traumata der deutschen Geschichte. Besonders sein intensives Ringen mit den Schrecken des Krieges und seine Auseinandersetzung mit der moralischen Verantwortung eines Kunstschaffenden in einem politisch belasteten Umfeld machen seine Werke zu einem unverzichtbaren Beitrag zur deutschen Kunst- und Erinnerungskultur.
Biografie Bernhard Heisig
Prägende Kriegserfahrung
Bernhard Heisig wurde am 31. März 1925 in Breslau (Niederschlesien) geboren und besuchte mit 16 Jahren die dortige Kunstgewerbeschule, bis er 1942 als Freiwilliger der Waffen-SS beitrat und in Folge an der Ardennenoffensive und den Kämpfen um die „Festung Breslau“ teilnahm. Er geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft und wurde 1945, mit nur 20 Jahren, als Invalide nach Breslau entlassen.
Seine traumatischen Kriegserlebnisse, über die er laut seiner Frau, der Malerin Gudrun Brüne, bis zu seinem Lebensende nicht gesprochen hat, wird Bernhard Heisig später in eindrücklichen Kunstwerken verarbeiten. „Das große Thema seiner Kunst war Konflikt. Selbst wenn mein Mann Stillleben gemalt hat, dann haben sogar die Blumen in der Vase miteinander gerungen,“ so Brüne in einem Gespräch mit der Kunstzeitung DEEDS.NEWS im Jahr 2023.
Leipzig
Ab 1948 studierte Heisig in Leipzig Kunst, was er 1951 abbrach. Im selben Jahr heiratete Heisig seine erste Frau Brunhilde Eisler, mit der er die Söhne Johannes (Heisig) und Walter (Eisler) bekam, die später selbst Künstler wurden. Die Ehe wurde 1956 geschieden. Bis 1954 arbeitete Heisig freischaffend, dann wurde er an die Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig gerufen, und dort 1961 zum Rektor gewählt.
Bernhard Heisig und die DDR
In der DDR stieg Bernhard Heisig zu einem bedeutenden Staatskünstler und Funktionär auf, herausgefordert vom moralischen Spagat zwischen künstlerischer Selbstfindung und staatlicher Auftragsmalerei. 1964 äußerte Heisig auf dem V. Kongress des Verbands Bildender Künstler (VBK) deutliche Kritik an der Kulturpolitik der SED und der DDR-Regierung. Besonders die Ergebnisse des sogenannten „Bitterfelder Wegs“ standen in seinem Fokus. Dieses staatliche Programm sollte eine Art sozialistische Nationalkultur fördern, indem Künstler und Schriftsteller in Fabriken arbeiteten und die Arbeiter in ihren eigenen künstlerischen Tätigkeiten unterstützen sollten. Ziel war es, nach Wirtschaft und Politik auch die Kultur stärker in das sozialistische System einzubinden. Aufgrund seiner kritischen Haltung wurde Bernhard Heisig als Rektor in Leipzig abgesetzt. Dennoch blieb er an der Hochschule– als Dozent sowie als Leiter der Abteilung für Grafik und Malerei.
1961 lernte Heisig Gudrun Brüne kennen, die bei ihm Malerei studierte und drei Jahrzehnte später seine zweite Ehefrau wurde. 1968 beendete Heisig seine Tätigkeit als Dozent an der Kunsthochschule aufgrund von zunehmendem Dogmatismus und widmete sich fortan der freiberuflichen Malerei, in der er vor allem große, historisch-politische und gesellschaftliche Panoramen in der Tradition von Max Beckmann und Oskar Kokoschka schuf. 1971 wurde er unter Erich Honecker rehabilitiert und übernahm 1972 erneut den Vorsitz des Verbandes Bildender Künstler im Bezirk Leipzig. 1974 folgte seine Ernennung zum Vizepräsidenten des Verbandes Bildender Künstler der DDR. In diesem Jahr erhielt er auch den Auftrag für das Wandbild „Gestern und in unserer Zeit“ in der Leipziger Bezirksleitung der SED (das er 2005 kurz vor Beginn der Leipziger Retrospektive Die Wut der Bilder teilweise übermalte). 1976 kehrte Heisig an die Leipziger Hochschule zurück, wo er erneut Rektor wurde. Elf Jahre später übergab er die Leitung an seinen Schüler Arno Rink. In dieser Zeit prägte er auch den längst international bekannten Maler Neo Rauch, der von 1986 bis 1990 Heisigs Meisterschüler und von 1993 bis 1998 sein Assistent war.
Bernhard Heisig und Helmut Schmidt
Besondere Bekanntheit im damaligen West-Deutschland erlangte Bernhard Heisig 1986, als sich der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt von dem damals schon renommierten DDR-Maler und Professor portraitieren ließ – ein Statement, und ein Stückchen vorweggenommener Wiedervereinigung auf der Leinwand.
Die Wendezeit und das Havelland
1989 gab Heisig die ihm 1972 und 1978 verliehenen Nationalpreise der DDR aus Protest gegen die Politik der DDR-Führung zurück und trat im Dezember 1989 aus der SED aus. Seit 1992 lebte und arbeitete er gemeinsam mit Gudrun Brüne in einem Doppel-Atelier in Strodehne im Landkreis Havelland, Brandenburg.
Am 11. Juni 2011 starb Bernhard Heisig im Alter von 86 Jahren in Strodehne.
Die Leipziger Schule
Bernhard Heisig gilt als einer der Begründer und führenden Vertreter der Leipziger Schule, eine Strömung der modernen Malerei der 1970er bis 80er Jahre, die ab den 60er Jahren von überwiegend in Leipzig aktiven Malern ausging und diese Stadt zu einem beachteten Zentrum der Kunst machte. Stil- und generationsübergreifend steht die Leipziger Schule für einen hohen künstlerischen Anspruch, verbunden mit einer bewussten Gesellschaftsanalyse, ausgeführt mit bemerkenswert handwerklichem Können. Bernhard Heisig wird mit Hans Mayer-Foreyt, Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer zu den Gründern der Leipziger Schule gezählt. Er setzte sich, neben der Thematisierung eigener, vornehmlich kriegsbezogener Erfahrungen, intensiv mit Kulturgeschichte, Literatur, Theater und Musik auseinander, auf der Suche nach Identifikationsfiguren – und möglicherweise auch nach Absolution. Diese inneren Kämpfe brachte er offen und ehrlich auf die Leinwand.
Der Ausnahmekünstler Bernhard Heisig
Bernhard Heisig verstand es wie kaum ein anderer, technische Brillanz, innovative Formensprache und inhaltliche Tiefe miteinander zu vereinen. Sein Malstil zeichnet sich durch eine expressiv-dynamische Darstellungsweise mit kontrastreichen Farben und einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit sozialen und politischen Themen aus. Seine Fähigkeit, klassische Maltraditionen mit modernen Themen zu verschmelzen und dabei den Zeitgeist einzufangen, spricht für einen Künstler, der nicht nur seine eigene Zeit widerspiegelt, sondern auch kommende Generationen inspirieren kann. Diese Kombination aus technischer Exzellenz, intellektueller Schärfe und nachhaltigem kulturellem Einfluss begründen Bernhard Heisig als Ausnahmekünstler seiner Zeit.
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